
Chronische Unzufriedenheit macht krank
​(In Anlehnung an Stephan Holthaus aus IDEA 30.2025)

Pfarrer Stefan Kym
Experten sagen: In Deutschland nimmt die Unzufriedenheit zu (ist vermutlich in der Schweiz ähnlich). Wir sind scheinbar öfters unzufrieden als früher. Ich merke es selbst: Bei vielen Nachrichtenmeldungen kann ich mich aufregen.
Auch die vielen Negativmeldungen über die Entwicklung der Kirchen kratzen an den Nerven. Das alles kann uns niederdrücken und in einen Strudel der Unzufriedenheit führen. Natürlich gibt es Missstände, die wir benennen
müssen. Klage ist biblisch und eine gesunde Kritik bringt uns weiter. Aber das meine ich nicht. Es geht mir um die um sich greifende chronische Unzufriedenheit, die auf unsere Persönlichkeit geht und uns letzten Endes krank macht. Es geht um ein ständiges Meckern und Kritisieren, ohne noch das Gute zu sehen, ohne konstruktiv auf eine Lösung hinzuarbeiten. Wie gerne analysieren wir die Probleme bis in die Tiefe, statt an der Therapie zu arbeiten. Wir schauen zurück auf den Missbrauch, die Verletzung hier und dort, anstelle nach vorne zu schauen und das neue Leben in Jesus endlich auszuleben. Da kommt selbst mir ab und zu der Gedanke hoch: «Früher war alles besser!» Die Aussage ist aber meistens Unsinn und eher Ausdruck eines schlechten, verklärten Gedächtnisses.
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Schuld sind «die da oben»
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Warum sind wir so unzufrieden? Zum einen, weil wir unglaublich verwöhnt sind. Den meisten von uns geht es sehr gut. Wir klagen auf unheimlich hohem Niveau und klagen über Kleinigkeiten. Ich muss mich selbst immer wieder
an der Nase nehmen, wenn ich merke, dass mich Kleinigkeiten in Wallung bringen und mich dann wieder beruhigen, in dem ich das Problem in Relation zu den wirklich wichtigen Herausforderungen stelle.
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Zum anderen sind wir unzufrieden, weil wir mit den eigenen Problemen, Charakterzügen, Versäumnissen nicht zurechtkommen. Schuld sind dann aber «die da oben», die Politiker, der Chef, vielleicht der Ehepartner oder die
Ältesten der Gemeinde. Statt unsere Eigenverantwortung zu erkennen, dass auch wir das Volk, Teil der Firma und der Gemeinde sind, schieben wir die Schuld auf andere. Hinter der Unzufriedenheiten mit der Welt und der Gemeinde
steckt nicht selten meine eigene Unzufriedenheit mit mir.
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Chronische Unzufriedenheit macht krank
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Perfektionisten sind häufig unzufrieden, weil sie sich zu hohe Ziele stecken und ihr Ideal nicht erreichen. Der Selbstoptimierungswahn der Gegenwart verstärkt diesen Trend. Die Medien geben uns den Massstab an Erfolg und
Schönheit vor. Wir vergleichen uns und sind dadurch unzufrieden. Unzufriedenheit ist wie ein Krebsgeschwür, das jede Gruppe und auch Gemeinde nach unten zieht. Nicht selten leiden besonders «Rechtgläubige» an negativem
Denken und reden schlecht über andere. Ein solches Klima auch nur von wenigen in der Gruppe ausgelöst, wirken zerstörerisch auf die Gemeinschaft und machen sie unattraktiv. Hinzu kommt, dass chronisch unzufriedene Menschen oft unter Realitätsverlust leiden. Sie sehen alles nur noch negativ und das Gute, von dem es reichlich auch gibt, sehen sie nicht mehr. Menschen, die chronisch unzufrieden sind, haben eine negative Ausstrahlung. Mit denen möchte eigentlich keiner etwas zu tun haben, auch nicht in der Gemeinde. Unzufriedene Gemeinden ziehen zudem niemanden an. Mediziner haben festgestellt: Je unzufriedener ein Volk ist, desto kränker ist es. Chronische Unzufriedenheit geht auf den Blutdruck, begünstigt Magengeschwüre, macht krank.
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Unzufriedenheit ist so alt wie die Menschheit
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Adam lebte im Paradies. Doch schon er war sauer auf seine Frau, weil sie ihm von der Frucht gegeben hatte, anstatt seine eigene Schuld und Verantwortung zu sehen (1Mo 3). Im nächsten Kapitel vom 1. Buch Mose ist Kain unzufrieden, weil Gott das Opfer seines Bruders angenommen hatte, aber seines nicht. Kain bringt Abel um, weil er eifersüchtig ist. Wir könnten mit Bsp. fortfahren von unzufriedenen Gottesmännern und -frauen und oft dem ganzen Volk.
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Ein Rezept für Zufriedenheit
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Phil 2,14: Verbannt alle Unzufriedenheit und alle Streitsucht aus eurer Mitte, als Paulus das schrieb, sass er nicht unter Palmen mit einem Drink, sondern im Gefängnis. Er murrte nicht, sondern strahlte Zufriedenheit aus. Warum? – Er wusste, wie reich er in Christus beschenkt war. Er schaute auf sein Leben aus dem Blickwinkel der Ewigkeit. Er blickte von oben auf sein Leben und hatte den Blick bekommen, was er in Christus ist und hatte. Das beste Rezept gegen
Unzufriedenheit ist Dankbarkeit, die Sicht auf Gottes Grosszügigkeit. Besonders wir Christen haben allen Grund zu danken. Wir sind Kinder Gottes. Wir sind erlöst. Wir sind reich beschenkt. Als Schweizer leben wir zudem in
Wohlstand und noch im Frieden. Dankbare Menschen meckern nicht. Dankbare Menschen haben von Gott eine andere Perspektive für ihr Leben bekommen. Wir haben in der Schweiz mehr als wir brauchen und doch reicht
es nicht. Es ist hilfreich für sich ein Genug festzulegen. Wieviel ist genug? Es muss nicht immer mehr sein!
Dankbarkeit brauchen wir auch für unsere oft geschundenen Gemeinden. Ich höre im Laufe meiner 40-jährigen Zeit als Christ viel Kritik und habe auch oft kritisiert. Manches mag berechtigt sein aber vieles auch unnötig,
Dankbarsein für die Mitarbeiter, die Ältesten, die Pastoren sich für uns einsetzen, - das wäre doch mal was! Dankbarkeit ist die beste Prophylaxe gegen Karies, also ich meine chronische Unzufriedenheit.
Was uns trägt
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Eine koreanische Christin antwortete auf die Frage: «Wie geht es dir?» mit «Ich bin im Frieden.» Wer im Frieden Gottes lebt, kennt weniger Unzufriedenheit. Er lebt in tiefer Dankbarkeit, als Beschenkter. Es ist wie in dem alten
Heilslied «Wenn Friede mit Gott meine Seele durchdringt» von Horatio Spafford (1828-1888). Er war einer, der grosse Schicksalsschläge erlebt hatte, der alle seine Kinder durch ein schreckliches Schiffsunglück verlor – einer, der wirklich hätte unzufrieden sein können. Er klage aber nicht. Er wurde getragen vom Frieden Gottes. Deshalb konnte er am Ende des Liedes dichten: «Mir ist wohl in dem Herrn.»
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Oft fehlt uns dieser Friede Gottes im Herzen, der Blick von oben, die Dankbarkeit, die Ewigkeitsperspektive für unser Leben. Wir brauchen aber gerade heute Christen, die bei allem Elend der Welt Zufriedenheit ausstrahlen, weil sie gehalten werden aus der Ewigkeit. Diesen Frieden von oben wünsche ich uns allen, unseren Gemeinden, unserem Land, auch mir. Dann können auch wir antworten: «Ich bin im Frieden.» «Mir ist wohl in dem Herrn.» Jesus hat uns angeboten, dass wir in ihm bleiben dürfen und dann viel Frucht bringen. Um diese Frucht (Frieden) dürfen wir auch bitten (Joh 15,1-8; Gal 5,22).
In unseren drei Talk Gottesdiensten im November werden wir von Menschen hören, wie sie Gottes Grosszügigkeit erlebt haben und mit ihren zum Teil bleibenden Herausforderungen dankbar und im Frieden leben können. Flyer zum Einladen liegen auf und werden via E-Mail zugesandt. Eine wunderbare Gelegenheit für uns Dankbarkeit einzuüben und andere Menschen mit auf diesen Weg zu nehmen.
Kol 3,15:
Der Frieden, der von Christus kommt, regiere euer Herz und alles, was ihr tut! Als Glieder eines Leibes seid ihr dazu berufen, miteinander in diesem Frieden zu leben. Und seid voll Dankbarkeit ´gegenüber Gott`!
Phil 4,12-13:
Ich weiß, was es heißt, sich einschränken zu müssen, und ich weiß, wie es ist, wenn alles im Überfluss zur Verfügung steht. Mit allem bin ich voll und ganz vertraut: satt zu sein und zu hungern, Überfluss zu haben und Entbehrungen
zu ertragen. 13 Nichts ist mir unmöglich, weil der, der bei mir ist, mich stark macht.
Gal 5,22-23:
Die Frucht hingegen, die der Geist Gottes hervorbringt, besteht in Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, 23 Rücksichtnahme und Selbstbeherrschung.
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Herzliche Grüsse
Stefan Kym
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